Der Baukongress 2024 in Aachen befasste sich in einer Fachsession mit Robotik, Automatisierung und Digitalisierung im Hochbau. Moderiert wurde diese von Goar T. Werner, Geschäftsführer AACHEN BUILDING EXPERTS e. V. (ABE). Sein Fazit: „Robotik bringt Produktivitätssteigerung und Kostensenkung, wenn gleiche Arbeitsschritte in hoher Stückzahl ausgeführt werden. Voraussetzung für den Baustelleneinsatz sind ein durchgängig digitaler Prozess und laufend aktualisierte ‚as built‘-Daten. Ein intensiverer Einsatz von Robotik muss vor allem durch eine höhere Vorfertigungstiefe erzielt werden, durch Modularisierung der Bauweisen.“
In ihrer Eröffnungs-Keynote betonte Univ.-Prof. Dr.-Ing. Katharina Klemt-Albert (Institutsleiterin, ICoM – Institut für Baumanagement, Digitales Bauen und Robotik im Bauwesen, RWTH Aachen University), dass die Digitalisierung durch die Anpassung vorhandener Technologien an Baustellenbedingungen vorangetrieben werden könne: „Wir müssen die Technologien nicht neu erfinden. Wir müssen sie nur bau(stellen)tauglich machen.“
Ein entscheidender Ansatz ist die Automatisierung von Teil-Prozessen. Dies wird durch die schrittweise Entwicklung unterstützt: von der Skizze einer Innovationsidee bis hin zur Implementierung spezifischer Automationslösungen. Zudem ermutigt eine Kultur der Furchtlosigkeit dazu, innovative Lösungen direkt umzusetzen.
Oliver Eischet (Geschäftsführer specter automation) erläuterte, dass sich die Anwendungsbereiche unterteilen lassen in Vorfertigung und Baustelleneinsatz. Es gibt also nicht „die eine“ Robotik im Hochbau, sondern spezifische Systeme für unterschiedliche Einsatzbereiche. Roboter sollten als Prozessspezialisten, nicht als Alleskönner angesehen werden. Je autonomer Roboter arbeiten, umso höher fällt ihr Informationsbedarf aus. Sie benötigen detaillierte Baupläne, Sicherheitsprotokolle, spezifische Arbeitsanweisungen. Zugleich müssen die Prozesse klar definiert sein, damit der Roboter die bestehenden Herausforderungen effektiv adressieren kann.
Alexander Mühlens (Geschäftsbereichsleiter Robotik und Automatisierungstechnik igus GmbH, Vorstand: VDMA Robotik und Automatisierungstechnik) verdeutlichte beim Baukongress, dass sich Automatisierung besonders bei hohen Stückzahlen lohnt (über 100.000 Stück) oder wenn sie Qualität und Effizienz erheblich verbessert.
Herausforderungen bei der Einführung sind beispielsweise hohe Erwartungen an die Vielseitigkeit der Roboter sowie die Komplexität der Integration künstlicher Intelligenz (KI). Weitere Hindernisse sind unter anderem der Konflikt zwischen individuellen Anpassungen und Massenfertigung, ein Mangel an spezifischem Fachwissen sowie unklare wirtschaftliche Vorteile der Automatisierung.
Roland Sitzberger (Partner, Porsche Consulting GmbH) hob die Notwendigkeit hervor, zur Vereinfachung von Automatisierung mehr in Produkten statt in Projekten zu denken. Produkte ermöglichen eine konstante Lieferkette, baukastenbasierte Individualisierung und bessere Planbarkeit. Wenn Automatisierung bereits in der Produktentwicklung mitgedacht wird, fördert das Skaleneffekte und kontinuierliche Verbesserungen. Außerdem erhöht Vorfertigung das Automatisierungspotenzial.
Hindernisse sind zum Beispiel fehlendes Know-how und hoher Investitionsbedarf. Ein Lösungsansatz kann die schrittweise Automatisierung einzelner Teilprozesse sein. Hierfür sind nur graduelle Investitionen erforderlich. Allerdings können unter Umständen höhere Gesamtkosten entstehen und kann eine komplexere Prozesskoordination erforderlich sein.
Es ist davon auszugehen, dass der Nutzen der Robotik durch Fortschritte in KI und Sensorik sowie eine zunehmende Akzeptanz autonomer Systeme gesteigert werden wird, auch weil seriellere und modularere Baumethoden signifikante Vorteile bieten: Sie senken Kosten und Bauzeiten, steigern die Produktivität und verringern gleichzeitig Emissionen sowie Müllproduktion.
Bild Copyright: FAZ BUSINESS MEDIA GmbH, Jörn Wolter / ABE
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Die Fachsession des Aachener Baukongresses 2024 wurde von Aachen Building Experts e.V. (ABE) geleitet. Das Fachgremium, welches die Inhalte der Fachsession über Monate hinweg gemeinsam erarbeitet hat, setzte sich aus den folgenden Personen zusammen:
- Hendrik Benz, Forschungsgruppenleiter Baurobotik, Institut für Baumanagement, Digitales Bauen und Robotik im Bauwesen (ICoM ), RWTH Aachen University
- Tobias Burger, Co-Founder, red cable robots
- Christian Bücker, Porsche Consulting
- Prof. Dr.-Ing. Tobias Bruckmann, Lehrstuhl für Mechatronik, Universität Duisburg-Essen
- Oliver Eischet, Mitgründer & Geschäftsführer, specter automation
- Oliver Hans, Head of Innovation Projects and Futures Research, Schüco International KG
- Frank Ilg, Head of Innovation, PERI Gruppe
- Univ.-Prof. Dr.-Ing. Katharina Klemt-Albert, Institutsleiterin, ICoM – Institut für Baumanagement, Digitales Bauen und Robotik im Bauwesen, RWTH Aachen University
- Jakob Langen, Co-Geschäftsleiter, DLL – Dr. Dieter Langen Liegenschaften
- Alexander Mühlens, Leiter Geschäftsbereich Automatisierungstechnik und Robotik, igus GmbH und Vorstand, VDMA Robotik
- Joachim Nesseler, Mitglied des Vorstandes, AACHEN BUILDING EXPERTS e.V. (ABE) und Geschäftsführender Gesellschafter, nesseler holding gmbh & co. KG
- Niklas Schäfer, Werkzeugmaschinenlabor (WZL), RWTH Aachen University
- Roland Sitzberger, Partner, Porsche Consulting
- Marco Thiess, Global Head of Innovation, fischer group
- Goar T. Werner, Geschäftsführer, ABE